Du kennst das sicher nicht nur aus dem Arbeitsalltag. Auch im Privatleben kommt es sehr häufig zu diesem Phänomen. Betrachten kannst du es vor allem als Außenstehender. Einmal selbst in dieser Situation gefangen, fällt es den wenigsten auf. Die Rede ist davon, dass sich Menschen wegen vermeintlichen Kleinigkeiten völlig in die Haare bekommen und man nur noch denkt: Bin ich hier im Kindergarten gelandet?
Die Antwort darauf wird dich vielleicht überraschen: Ja, das bist Du!
Das Phänomen lässt sich einfach erklären. Wir kommen als Kinder völlig unfertig auf die Welt, sodass wir uns in den ersten Lebensjahren alles, was wir später können müssen, hart erarbeiten müssen. Jeden Tag muss etwas neues dazugelernt werden. Das wichtigste Ziel in dieser Zeit: Überleben!
Alles, was wir als Kind lernen, dient dazu, den besten Weg zu finden, am Leben zu bleiben. Und Kinder sind wahnsinnig kreativ. Sie schauen sich alles ab, was sie sehen, interpretieren, testen Handlungen aus und speichern nach und nach bewährte Strategien im autonomen Nervensystem ab.
Das autonome Nervensystem sorgt dafür, dass wir viele Dinge unbewusst erledigen können, ohne aktiv darüber nachzudenken. Das macht völlig Sinn. Stellen wir uns mal vor, wir treten auf die Straße und plötzlich kommt ein Auto herangefahren. In Bruchteilen von Sekunden wägt das autonome Nervensystem ab, was am besten zu tun ist und reagiert. Würden wir erstmal in Ruhe darüber nachdenken, was zu tun ist, wären wir bereits überfahren worden, bevor wir zu einer Lösung gelangt wären.
Wie sorgt nun die kindliche Entwicklung dafür, dass wir uns als Erwachsene wie Kinder verhalten?
Wie bereits beschrieben, entwickelt sich das Gehirn eines Kindes noch. Ein Kind bezieht in den ersten 7 Lebensjahren alles, was es erfährt auf sich. Streiten sich die Eltern, ist das Kind schuld, egal ob es dazu irgendeinen Beitrag geleistet hat. Daraus leiten sich nach und nach Überzeugungen ab, nach denen wir unser Leben gestalten, sogenannte Glaubenssätze, die wir uns im Unterbewusstsein tagtäglich aufsagen, ohne es zu bemerken. Diese Glaubenssätze in Kombination mit dem autonomen Nervensystem sorgen dafür, dass wir in vergleichbaren Situationen dann auch vergleichbar reagieren.
Wenn ein Erwachsener in eine Situation gerät, die ihn unbewusst an ein Erlebnis aus der Kindheit erinnert, reagiert das autonome Nervensystem sofort und liefert eine adäquate Handlung. Diese Handlung war als Kind erprobt und bewährt, aber das autonome Nervensystem weiß leider nicht, dass wir als Erwachsene nicht mehr akut in Lebensgefahr schweben, wenn die Situation nicht schnell gelöst wird. Das sorgt dann dafür, dass die Reaktion tatsächlich wie die eines Kindes ausfällt, obwohl wir doch eigentlich Erwachsen sind.
Schön und gut, aber wie ändern wir das nun?
Das Fantastische ist die Neuroplastizität unseres Gehirns. Vielleicht habt ihr schon mal von Senioren den Spruch gehört: „Ich bin zu alt. Ich kann das nicht mehr lernen.“
Das ist erwiesenermaßen falsch! Unser Gehirn ist ein Leben lang in der Lage, sich neu zu vernetzen. Die neuronalen Verbindungen, die sich in der Kindheit gebildet haben, können wir nach und nach lösen und neu vernetzen, sodass sich neue autonome Reaktionen einstellen.
Es ist vergleichbar mit einem Straßennetz. Wir fahren immer wieder dieselben Autobahnen. Diese sind dadurch schön breit ausgefahren und wir vermeiden es selbstverständlich, den unebenen Feldweg daneben zu nehmen. Entscheiden wir uns aber nun bewusst, diesen Feldweg zu befahren, wird er mit jedem Mal, wo wir dort entlang fahren, breiter ausgefahren. Die nicht mehr befahrene Autobahn wuchert nach und nach zu, sodass es irgendwann leichter und bequemer ist, den ehemaligen Feldweg zu befahren. Und genauso können wir die neuen neuronalen Verbindungen schaffen.
Nun könnten wir anfangen, von jedem einzelnen Mitarbeitenden zu analysieren, welche Situationen und Glaubenssätze dazu führen, dass sich derjenige so verhält. In den groben Zügen können wir das auch praktisch in Workshops tun, aber diese Glaubenssätze aufzulösen, erfordert individuelle Coachings, die wir im Unternehmenskontext zumindest nicht für alle Mitarbeitenden ermöglichen können. Deshalb konzentriert sich mein Ansatz auf etwas anderes:
Das Schaffen von Sicherheit.
Wie ich eingangs schon erwähnte, erinnern uns die Situationen, in denen wir wie Kinder handeln, an Situationen aus der Kindheit, die aus Kindessicht lebensbedrohlich gewirkt haben. Der Körper ist damals also in Alarmbereitschaft gegangen, weil er davon ausging, dass er ums Überleben kämpfen muss. Hierbei wird der Sympathikus aktiviert, ein Teil unseres autonomen Nervensystems. Adrenalin schießt durch den Körper und der entscheidet sich situationsbedingt für Kampf oder Flucht (fight or flight). In der Steinzeit war diese Reaktion noch sinnvoll und heute natürlich auch, wenn wir wirklich lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt sind. Die meisten Situationen sind aber heutzutage nicht mehr lebensbedrohlich.
Früher brauchte der Körper das Adrenalin, um zu kämpfen oder zu flüchten. Durch körperliche Aktivität baute er die Stresshormone wieder ab und regulierte somit wieder sein Nervensystem. Heutzutage sind diese Gefahren aber meist hypothetisch. Das heißt der Körper geht in den Kampf-oder-Flucht-Modus, aber es folgt keine körperliche Aktivität, sodass sich die Stresshormone nicht abbauen können und wir unnötig in diesem Zustand verweilen.
Meine Arbeit setzt an dieser Stelle an. Dem Körper wieder zu vermitteln, dass er in Sicherheit ist. Dies geschieht durch einfache Körperübungen. Regelmäßig wiederholt führen die dazu, dass das Nervensystem wieder erlernt, in einen normalen Bereich zurückzufinden. Dadurch lernt man auch wieder, Anzeichen von Stress frühzeitig zu erkennen, sodass man durch Übungen selbst gegensteuern kann, bevor eine Situation eskaliert.
Wichtig ist hierbei die Regelmäßigkeit. Die Übungen helfen zwar sofort, aber wir wollen schließlich neue neuronale Autobahnen erschaffen, sodass sich neue autonome Reaktionen etablieren können. Deshalb sieht mein Coaching-Ansatz vor, auch in Unternehmen eine Betreuung über mehrere Wochen zu gewährleisten, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.
Auf diese Weise haben die Mitarbeitenden Zeit, die Veränderungen nachhaltig zu integrieren. Sie profitieren dadurch nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Umfeld, sodass die Mitarbeitenden von Grund auf zufriedener sind. Und zufriedene Mitarbeitende werden seltener krank.
Wie psychische Belastungen uns krank machen können und wie Resilienz uns helfen kann, gesünder zu bleiben, erfährst Du in diesem Artikel.